Going West – Sachsen in Alberta

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„Wo liegt eigentlich Edmonton?“ Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich ein Angebot bekam, in dieser kanadischen Stadt ein Praktikum zu machen. Ein paar Tage später, bei einem Termin bei meinem Optiker, kannte dieser tatsächlich das Eishockey-Team besagter Stadt. Er erzählte mir auch, dass die Region für Förderung von Öl bekannt sei. Da wusste er damals mehr als ich. Nachdem ich nun schon über ein Jahr hier verbracht habe, konnte ich einiges dazu lernen. Edmonton ist mit rund einer Million Einwohnern die Hauptstadt von Alberta, welche die westlichste der Prärieprovinzen Kanadas ist.

Jasper, Alberta – Photo by Laura Intemann

Verantwortlich dafür, dass ich in dieser Region gelandet bin, ist das ASiiA-Programm, kurz für Alberta-Saxony Intercultural Internship Alliance. Durch ein kleines und unbedeutend erscheinendes Ereignis bin ich bereits 2016 auf dieses Programm aufmerksam geworden.

Bei einer Info-Veranstaltung über Studienaustauschprogramme an meiner Hochschule – wo ich eine von zwei Zuhörenden war – nahm ich einen Zettel mit, der über das ASiiA-Programm informierte. Dadurch erfuhr ich, dass zwischen Alberta und Sachsen seit 2010 ein Praktikumsabkommen besteht. Dieses ermöglicht Studierenden aus den jeweiligen Regionen für einen längeren Zeitraum ein bezahltes Praktikum in der Partnerregion zu machen.

Columbia Icefield Gletscher, Alberta – photo by Laura Intemann

Da ich noch keine Pläne für das Pflichtpraktikum in meinem Studium hatte, kontaktierte ich nach der Veranstaltung das zuständige Leonardo Büro in Dresden. Die Mitarbeiterin bat mich, ihr einige Unterlagen zukommen zu lassen (ASiiA-Bewerbungsformular, Motivationsschreiben, Lebenslauf, Immatrikulationsbescheinigung und einen Notenauszug).

Wenn man erfolgreich ins Programm aufgenommen wird und einen Praktikumsplatz in der Region findet, erhält man eine kostenlose Arbeitsgenehmigung für Kanada. 

Die geforderten Unterlagen stellte ich bereit und wurde wenig später Teil der ASiiA-Gemeinschaft. Durch einige personelle Veränderungen in Dresden, erhielt ich allerdings erst vier Monate später eine E-Mail mit der Frage, ob ich noch an dem Programm interessiert sei. Ich hatte zwar nun schon mein Pflichtpraktikum anderweitig organisiert, aber Interesse bekunden konnte ja niemandem schaden.

Jasper National Park, Rocky Mountains, Alberta – photo by Laura Intemann

Ein Jahr nachdem ich mich für das Programm beworben hatte, im April 2017, bekam ich dann unverhofft eine sehr freundliche E-Mail aus Edmonton, Alberta, in der mir ein Praktikum beim German-Canadian Centre for Innovation and Research (GCCIR) angeboten wurde. Das Leonardo Büro hatte meine Bewerbungsunterlagen mit meinen Interessensgebieten anscheinend an Partneruniversitäten in Alberta weitergeleitet ohne dass ich mich je irgendwo beworben hatte. Das Jobinterview per Skype mit GCCIR habe ich dann eigentlich nur aus Pflichtbewusstsein absolviert, ohne vorzuhaben, wirklich nach Kanada zu gehen. Wie es dann aber manchmal so spielt, war das Gespräch äußerst nett und da ich auch keine anderen Pläne hatte, sagte ich eine Woche später zu, ein Praktikum im September in Alberta zu beginnen.

In enger Zusammenarbeit mit dem Leonardo Büro in Dresden, dem International Office der University of Alberta und meinem zukünftigen Arbeitgeber, habe ich mich dann für das Arbeitsvisum beworben.

Es werden unzählige Unterlagen, Nummern, Unterschriften und Anträge benötigt, doch sobald alles vorhanden und im Bewerberportal des Immigration, Refugees and Citizenship Canada (IRCC) hochgeladen ist, steht der Arbeitserlaubnis nichts mehr im Weg.

Elk Island National Park
Elk Island National Park – Photo by Laura Intemann

Dass ausgerechnet Alberta zur Partnerregion Sachsens wurde, ist ein ausgesprochen großes Glück für uns, denn neben viel Schnee und Eis bietet die Provinz eine Vielzahl beeindruckender Naturschauspiele. So konnte ich ein paar Wochen nach meiner Ankunft grün-flimmernde Polarlichter über der Stadt bestaunen. Im Westen trennen die Rocky Mountains Alberta von ihrer Nachbarprovinz British Columbia. Die Gebirgskette, auch liebevoll Rockies genannt, beeindruckt mit etlichen Nationalparks, eisigen Gletschern und türkis-klaren Seen. Im Winter, teilweise bis Juni, kann man hier allen möglichen Schneesportaktivitäten nachgehen. Besonders beliebt sind die malerischen Ferienorte Jasper und Banff, die beide in nach ihnen benannten Nationalparks liegen.

In den wenigen warmen Monaten des Jahres genießen viele der naturverbundenen Albertaner, die Rocky Mountains zum Wandern und Campen gehen. Dabei sollte man das Bärspray stets griffbereit haben und in Gruppen unterwegs sein.

Die Kanadier respektieren ihre Natur sehr und so kommt es durchaus vor, dass man beim Wandern einem Grizzly-Bären begegnet.

Daher sollte man auch nur dort sein Zelt aufschlagen, wo man bärensichere Aufbewahrungsvorrichtungen vorfindet. Denn Bären werden sogar von dem Geruch von Zahnpasta angelockt!

Elk near Elk Island Nationalpark, Alberta – photo by Laura Intemann

Auch andere Wildtiere laufen einem in Alberta über den Weg.

Zwar ist die Begegnung mit einem Stinktier weniger lebensbedrohlich, aber doch sollte man diesem so schnell wie möglich aus dem Weg gehen. Nachdem wir vor ein paar Tagen zwei dieser maderartigen Tiere im Garten beobachtet hatten, müssen sie erschreckt worden sein und zur Abwehr ihr Sekret versprüht haben. Der Geruch von verbrannten Reifen und faulen Eiern war die ganze Nacht im Haus zu vernehmen! Aber auch größere Wildtiere kann man in Alberta beobachten. Im Osten von Edmonton liegt der Elk-Island-Nationalpark, wo man nicht nur auf große Bisonherden sondern auch auf Manitoba-Wapitis, Elche und Bieber trifft.

Sunshine Village Waldbrandrauch, Banff Nationalpark – photo by Laura Intemann

In Alberta kann es im Winter extrem kalt werden. Temperaturen um die -30°C sind keine Seltenheit.

Dabei ist die Luftfeuchtigkeit sehr niedrig. Ich hatte die Ehre, in der längsten Periode mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt miterleben zu dürfen. Von Ende Oktober bis April, auf 167 aufeinanderfolgenden Tagen, gab es Frost. Obwohl man in Edmonton teilweise auf Schlittschuhen zur Arbeit fahren kann, ist die Stadt namhaft für ihren vielen Sonnenschein – wo Leipzig nur auf rund 1500 Sonnenstunden im Jahr kommt, sind es in Edmonton 2350 Stunden. Durch die extreme Trockenheit leiden die Wälder hier ab März unter starken Bränden. Teilweise ist der Rauch dann selbst in den Städten so stark, dass die höchste Risikostufe für Luftqualität erreicht wird.

Jasper National Park, RockyMountains, Abgebrannte Bäume – photo by Laura Intemann

Neben beeindruckender Flora und Fauna ist Alberta auch mit kulturellen Besonderheiten ausgestattet.

Obwohl Deutschland allein zwei Mal flächenmäßig in Alberta passt, wird die Provinz scherzhaft als das „Bayern Kanadas“ bezeichnet.

Womit sich größtenteils auf die stets konservative Regierung, den erheblichen Fleischkonsum und die viele Landwirtschaft bezogen wird.

Auch wenn es um ein äußerst beliebtes Hopfengetränk geht, steht Alberta den Süddeutschen in nichts nach. Denn die Craftbeer-Szene der Provinz ist stark am wachsen und hält so manche Kuriositäten wie Chili-Bier bereit. So ist es für jeden Bierliebhaber immer wieder ein Genuss, einen Liquor-Shop zu betreten und nach den neusten lokalen Bierkreationen Ausschau zu halten. Auch wenn man auf das Wegbier, aufgrund der strengen Gesetze zum Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, anders als in Deutschland, verzichten muss.

Lake Louise, Banff Nationalpark – photo by Laura Intemann

Die Bewohner der Hauptstadt Albertas, die Edmontonians, unterstützen außerdem ihre Edmonton Oilers, welches ein in der NHL spielendes Eishockey-Team ist. Seit 2014 ist auch einer der wenigen berühmten deutschen Eishockey-Spieler Leon Draisaitl bei den Oilers unter Vertrag. Der Name des Teams kommt nicht von ungefähr. Denn im Norden der Provinz, in der Nähe der Stadt Fort McMurray gibt es reichhaltig Ölsand.

Diese Region macht Kanada zum Land mit der drittgrößten Ölreserve weltweit.

Das erklärt auch, warum Benzin hier nur rund einen kanadischen Dollar pro Liter kostet, was 66 Eurocent entspricht. Dementsprechend viele Pick-Up-Trucks sieht man hier auf den Straßen.

Auch noch ein Jahr nach dem das Studium in Sachsen beendet ist, kann man an dem ASiiA-Programm teilnehmen. So verschlug es mich dieses Jahr erneut nach Alberta, um in Edmonton an der Universität zu arbeiten.

Hier ist kein Berg zu hoch, keine Strecke zu weit, keine Einladung zu spontan. Das Lebensgefühl der Albertaner ganz nach dem Motto „Alles ist möglich!” scheint anziehend zu sein und wird sicherlich auch in Zukunft noch den einen oder anderen Studenten aus Sachsen hierher locken.

Von Laura Intemann

Nachdem ich noch während der Schulzeit ein Jahr in Argentinien verbracht habe, entschloss ich mich im Bachelor Spanisch und Interkulturelle Linguistik in Halle (Saale) zu studieren. Während des Studiums und im Jahr danach war ich dann für längere Aufenthalte in Süddeutschland, Frankreich und Australien, bis es mich 2015 für den Master General Management an die HTWK Leipzig verschlug. Während des Masters habe ich dann ein Praktikum in Kanada beim German Canadian Centre for Innovation and Research absolviert. Letztes Jahr im November konnte ich meinen Master in Leipzig abschließen und bin nun seit Beginn des Jahres wieder in Edmonton, Alberta, Kanada um hier an der University of Alberta zu arbeiten.


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