Innenwelten: die Malerei der Ellen Steger

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Teil 8: Ellen Stegers Innenwelten

Ellen Steger erzählt von einem Volk, das das Stillhalten satt hatte.

Menschen laufen durch eine Lücke in einem Zaun.

Sie zeigt uns dieses Volk bei seiner Freilassung. Das Volk, das es besser haben wollte und das es leid war, nur das Innere eines Käfigs ablaufen zu können und immer nur das gleiche zu fressen.

Das Volk bündelte sich und wirft die Gitterstäbe und Grenzen des Geheges nieder. Die Menschen strahlen vor Glück über die neu errungene Freiheit.

Ellen Stegers Druckgrafik
Druckgrafik nach ‘Howl’ von Allen Ginsberg – Holy Peter holy Allen © Ellen Steger

Everything is holy! everybody’s holy! everywhere is holy! everyday is in eternity!*

Ein Boot treibt auf dem Meer.

Menschen sitzen und liegen dicht gedrängt darin.

Frauen. Kinder. Männer. Kein Lufthauch ist zwischen ihren Körpern.

Es gibt kein Gepäck. Die Frauen, die Kinder, die Männer tragen ihren verbliebenen Besitz an ihren Körpern. Wovon träumen die Kinder? Wen beweinen die Frauen? Schlafen die Männer nur?

Ellen Steger entlarvt die Innenwelten an ihren Grenzen, wenn sie uns die Flucht der Menschen zeigt.

Ellen Stegers Druckgrafik
Druckgrafik nach Allen Ginsberg ‘Howl’ © Ellen Steger

(…) yacketayakking screaming vomiting whispering facts and memories and anecdotes and eyeball kicks and shocks of hospitals and jails and wars (…)*

Eine weitere Blickachse in Ellen Stegers Arbeiten bildet Allen Ginsbergs Gedicht „Howl“. Sie zitiert es, um uns das Moloch in den Innenwelten beschreiben zu können, und tatsächlich wird es uns beim Betrachten ihrer Bilder zu einem Motto, denn auch wenn sie die zarten und weichen Innenwelten zeigt, etwa in alltäglichen Gesichtern, nehmen sich diese als ein Hintergrund zu den Innenwelten, die aus Horror sind, aus.

Ellen Steger verweist auf unsere ganz eigene Innenwelt – wo warst du, als die Mauer fiel?

Wo stehst du an dieser Grenze zum Kriegsgebiet?

Kommen wir in Harmonie!

(*) Auszüge aus Allen Ginsbergs Gedicht „Howl“


Über die Künstlerin

  • 1980–1987: Kursleiterin Zeichenzirkel, Erfurt
  • 1988, Anfang Februar: Ausweisung aus der DDR
  • 1988–2015: WBZ Ingelheim, Lehrauftrag Malerei und Zeichnung
  • 1995–2015: Privatschule, Atelier Ellen Steger, Kurse in Aktzeichnen, Druckgrafik,
  • Mappenvorbereitung, Malerei und Zeichnung; Studienreisen
  • Seit 2015: lebt und arbeitet in Leipzig
  • Mitglied im BBK Leipzig (Bundesverband Bildender Künstler)

Ausgewählte Ausstellungen

  • 2019: XVIII. Offene Ateliers Leipzig
  • 2019: Grenzfälle 1989–2019 „Labystan“, Zionskirche Berlin
  • 2019: Kunstkonzil #41 „emotions“, Budde-Haus Leipzig
  • 2019: Mitgliederausstellung des BBK, Spinnerei Leipzig, Halle 14

(Meine Idee ist, literarische Texte zum Werk in Leipzig ansässiger Künstler zu verfassen. Ich möchte meine Eindrücke schildern, um die Leser auch auf weniger bekannte Künstler der Stadt aufmerksam und ihre Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.)

Nils Müller, geboren 1990 in Leipzig, lebt ebenda als freischaffender Autor. Er hat den Begriff der Kunst als Gewissen der Menschheit in sich aufgenommen und gibt diesen Auftrag an die Leser und Zuhörer weiter. Seine Texte wurden bisher in den Literaturzeitschriften FreiDenker, Syrinx Magazine, neolith- Magazin und dem Magazin des Unternehmens "bring together" sowie im Webzine "The Leipzig Glocal" veröffentlicht.

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