Teil 5: “Eine Zeugin Marsyas”
…zu den Bildern Sophie von Stillfrieds
Sophie von Stillfrieds Werk ist eine Bestandsschau gelebter Zeiten auf nackter Haut.
Sie häutet den Moment, sie seziert ihn, damit er vor unseren Augen von einer blauen Stunde auf Leinwand hin zu einem Fluss, einem Meer ausfließen kann, das Seele heißen mag. Hier geht sie vor Anker und entdeckt die Häute fremder Häfen.
Ihre Bilder feiern den androgynen Menschen als freies Wesen mit eigenem Geschlecht. So sprechen sie eine queere Sprache, die die Stereotype einer müden Welt gegründet auf dem ausschließlichen Sein von Frau und Mann, als angeblich einzig mögliche Wirklichkeit, Lügen straft.
Sophie von Stillfried erhascht kurz das Aufblitzen eines Nabels und spielt uns den Ball zu, wenn sie fragt, wie nackt wir tatsächlich sind.
Sie dokumentiert für uns die Seelenbilder aus Tätowierungen, wenn auf einem Oberschenkel ein Affe einem Vogel die Federn ausreißt, wenn auf fünf Fingerkuppen die Verletzung der Seele in einem Wort steht, oder wenn die Lücke, die ein fehlender Mittelfinger lässt, von Sternen, Flügeln und Blumen bekränzt wird.
Auch feiert sie in ihrem Werk den Moment der Zweisamkeit, der lebensnotwendigen Nähe und den Atem des geliebten Menschen, um uns im nächsten Bild in die einsamen, nachtkalten Betten blicken zu lassen, die ebenso Hinterlassenschaften der Seelenbilder auf der Haut sind.
Wir sind Voyeure, die von Sophie von Stillfried zu einer Reise eingeladen werden, sich von fremder Haut inspirieren zu lassen.
Über die Künstlerin
- 1974: in München geboren; lebt und arbeitet in Leipzig
- 1998–2004: Diplomstudium der Malerei bei Arno Rink, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
- 2005: Meisterschülerin bei Arno Rink
- 2005/06: Meisterschülerstipendium des Landes Sachsen
Ausgewählte Ausstellungen:
- 2018: Nach dem Bild ist vor dem Bild, Kunstverein Freunde aktueller Kunst e.V., Reinsdorf
- 2018: Die zweite Haut, Frauenmuseum, Wiesbaden
- 2016: Cœur d’artichaut, Galerie Potemka, Leipzig
- 2014: Trompe le Monde, Galerie Potemka, Leipzig
- 2013: Inbox. Die Ahnung, mit Raimund von Stillfried-Rathenitz anno 1880, Leipzig
- 2012: Noli me tangere, Galerie Potemka, Leipzig
- 2011: Maquillage, Contemporärer Kunstraum Dr. Georg Thaler/C/O, Berlin
- 2009: Das Dilemma des Schweigens, Salon Kleines Fuck, Berlin
- 2008: Palermo sehen und sterben, Galerien Jens Goethel/Kulturreich, Hamburg
- 2007: On Frock, Galerie Wolfgang Gmyrek, Düsseldorf
- 2004: Auch Baselitz hängt anders rum, Diplomarbeit, Galerie Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
Gruppenausstellungen
- 2015: Sinnlichkeit, Ex-JVA Magdeburg
- 2015: NOKTURNE, Kunsthalle Sparkasse Leipzig
- 2014: Girls, Galerie Potemka, Leipzig
- 2013: Mystique, Magdeburg
- 2013: Galericzki Audi, mit Corinne von Lebusa und Inga Kerber, Spinnerei Leipzig
- 2010: Black Door, Istanbul
- 2007: Art Amsterdam, Galerie Muijsers
- 2007: Art Karlsruhe, Galerie Maurer
- 2006: Art Fair Köln, Galerie Maurer
- 2005: Benefiz für Pakistan, Galerie de Miguel/Hobbyshop München
- 2005: Art Fair Essen, Galerie Frank Schlag & Cie.
(Meine Idee ist, literarische Texte zum Werk in Leipzig ansässiger Künstler zu verfassen. Ich möchte meine Eindrücke schildern, um die Leser auch auf weniger bekannte Künstler der Stadt aufmerksam und ihre Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.)
Featured photo: “Hurt” (detail) © Sophie von Stillfried