Meet the Candidates: Richter and Fülle (Grüne)

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Konstantin Richter and Dr. Claudia Fülle (Grüne) live in Leipzig and are candidates for City Council in Circuit 6, Leipzig West. This interview with them is part of our series on the City Council and European Parliament elections of 26 May 2019. We invited all Leipzig candidates of all major parties (CDU, SPD, Grüne, Die Linke, FDP and AfD) to answer the questions below. Our aim is for our audience to get to meet the candidates and know their political stances better. All questions and answers are provided in German and English. The answers to the questions and any other opinions provided by them are the candidates’ own.

Konstantin Richter und Dr. Claudia Fülle (Grüne) leben in Leipzig und kandidieren für den Stadtrat im Wahlkreis 6, Leipzig-West. Dieses Interview mit ihnen ist Teil unserer Reihe über die Stadtrats- und Europawahlen am 26. Mai 2019. Wir haben alle Leipziger Kandidat_innen aller großen Parteien (CDU, SPD, Grüne, Die Linke, FDP und AfD) eingeladen, die folgenden Fragen zu beantworten. Unser Ziel ist, dass unser Publikum die Kandidat_innen und ihre politischen Standpunkte besser kennenlernt. Alle Fragen und Antworten zeigen wir in deutscher und englischer Sprache. Die Antworten auf die Fragen und alle anderen von ihnen ausgedrückten Meinungen sind allein die der Kandidaten.


meet the candidates
Stadtratswahlkreise 2019/Circuits for City Council election 2019
Quelle/Source: Amt für Statistik und Wahlen Leipzig

Wenn man über lokale oder regionale Politik redet, schlafen viele Zuhörer ein… Lokale oder regionale Politik bzw. Wahlkämpfe sind für manche nicht so wichtig oder „sexy“ wie nationale Politik und Bundestagswahlen. Warum sollten sich Menschen für Politik auf lokaler oder regionaler Ebene interessieren? Warum ist diese Ebene der Politik Ihrer Meinung nach wichtig?

When one talks about local or regional politics, many listeners fall asleep… local or regional politics or election campaigns are for some not as important or “sexy” as national politics and federal elections. Why should people be interested in local or regional politics? Why do you consider this level of politics to be important?

Richter: Ganz unabhängig von der konkreten Ebene finde ich Politik immer spannend. Dabei ist „Politik“ ja nur ein Oberbegriff für eine persönliche Einflussnahme auf gesellschaftliche Prozesse. Dafür ist es egal, ob wir ein Vereinsfest im Sportverein planen, eine Petition ausarbeiten und für Zustimmung werben, in Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen streiten oder uns einer politischen Partei anschließen. Mit allen politischen Aktivitäten geben wir unserem Gestaltungswillen eine Richtung – unabhängig von konkreten Zielen oder Organisationsformen.

Morgens auf dem Weg zur Arbeit bringen wir unseren Nachwuchs in eine Kindertagesstätte, wir nutzen dafür Straßen und den öffentlichen Personennahverkehr. Wir treiben in Turnhallen oder auf Fußballplätzen Sport, genießen Kulturangebote in Theatern oder bei Lesungen oder lernen neue Sprachen an der Volkshochschule. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern, sie zeigt aber auch so schon eindrucksvoll: Kommunalpolitik beeinflusst unseren Alltag immer und überall. Wir spüren kommunalpolitische Entscheidungen meist viel unmittelbarer als Gesetzesänderungen auf Landes- oder Bundesebene. Wer also das Leben vor Ort gestalten und für die Zukunft rüsten möchte, interessiert sich automatisch für Kommunalpolitik.

Regardless of the concrete level, I always find politics exciting. Yet “politics” is only a generic term for a personal influence on social processes. It doesn’t matter whether we’re planning a club party at a sports club, working out a petition and bidding for support, campaigning in trade unions for better working conditions, or joining a political party. With all our political activities, we give a direction to our creative will – regardless of concrete goals or organizational forms.

On the way to work in the morning, we take our children to a daycare center, using roads and public transport. We do sports in gyms or on football fields, enjoy cultural events in theaters or at readings, or learn new languages at Volkshochschule (adult education center). This list could be extended indefinitely, but already now, it impressively shows: local politics influences our everyday lives everywhere and at all times. Mostly, we feel local political decisions much more directly than legislative changes at the state or federal level. So, anyone who wants to shape local life and prepare it for the future is automatically interested in local politics.

Fülle: Politik braucht immer einen langen Atem und meist viel Geduld, bis Veränderungen zu sehen sind. Aber auf lokaler Ebene sind diese Veränderungen eben doch viel näher und besser spürbar: Einen gut ausgebauten Radweg kann ich jeden Tag nutzen und mich daran freuen. Wenn der Jugendklub geschlossen wird, weil keiner für die Finanzierung gekämpft hat, merke ich das auch direkt am Unmut meines Kindes. Bei lokaler Politik ist die Selbstwirksamkeit viel größer als in den viel trägeren großen Maßstäben.

Politics always takes perseverance and a lot of patience until changes can be seen. But at the local level, these changes are much closer and more noticeable: I can use a well-developed bike path every day and enjoy it. When the youth club is closed because no one has fought for funding, I notice this directly in my child’s displeasure. In local politics, one’s personal impact is much greater than on the much slower large scales.

Konstantin Richter
Konstantin Richter (Grüne). Photo: Grünen-Fraktion Leipzig

Für viele junge Menschen ist Leipzig ein attraktiver Ort, um zu studieren oder um eine Ausbildung zu machen. Viele von ihnen finden danach aber keinen passenden Arbeitsplatz und müssen in andere Städte wie Berlin, München oder Hamburg ziehen. Das Bizarre dabei ist, dass Sachsen und Leipzig viel Geld ausgeben, um Arbeitskräfte auszubilden, die dann aber gar nicht in Sachsen, sondern in anderen Bundesländern arbeiten. Was kann man auf der Ebene der lokalen oder regionalen Politik machen, damit in Leipzig ausgebildete junge Leute hier eine langfristige Perspektive haben?

For many young people, Leipzig is an attractive place to study or do vocational training. However, many of them can’t find a suitable job afterwards and have to move to other cities such as Berlin, Munich or Hamburg. The bizarre thing is that Saxony and Leipzig spend a lot of money on training people who then work not in Saxony, but in other German regions. What can you do at the level of local or regional politics to give young people trained in Leipzig long-term prospects here?

Richter: Leipzig ist ein Magnet für junge, aufgeschlossene und engagierte Menschen. Das sieht man eindrucksvoll anhand der Zuzüge in die Stadt. Dieser Trend ist an der Einwohnerstatistik der letzten Jahre eindeutig ablesbar. Ich glaube aber nicht, dass die Abwanderung junger Fachkräfte aus Leipzig nach ihrer Ausbildung ein sehr drängendes Problem darstellt. Nichtsdestotrotz benötigt Leipzig, auch um dauerhaft attraktiv und konkurrenzfähig zu bleiben, eine kluge kommunale Entwicklungsstrategie.

Die Mieten für Gewerbeflächen für Firmengründer und Start-Ups müssen erschwinglich bleiben, damit Firmen in Leipzig und nicht in München gegründet werden. Es braucht Netzwerke, damit Unternehmer miteinander in Kontakt kommen. Die digitale Infrastruktur muss ausgebaut und damit für die Zukunft der Arbeit fit gemacht werden. Mieten und Lebenshaltungskosten dürfen nicht weiter steigen, sodass sich auch junge Fachkräfte ein Leben in Leipzig leisten können.

Die soziale Infrastruktur, zum Beispiel Kitas, Schulen, Bibliotheken, Kultureinrichtungen und Sportvereine, muss solide finanziert werden. Neu geschaffene Arbeitsplätze müssen vor allem gut bezahlt werden. Wer jeden Tag acht Stunden arbeitet, muss von seinem Lohn auch leben können, und zwar in jedem Viertel der Stadt. Schließlich brauchen wir auch weiterhin eine aktive Stadtgesellschaft, in der sich jeder nach seinen Vorstellungen engagieren und unser Zusammenleben gestalten kann.

Leipzig is a magnet for young, open-minded and committed people. This can be seen in an impressive way in the influxes into the city. This trend can be clearly seen in the population statistics of recent years. But I don’t think that the emigration of young skilled workers from Leipzig after their education / training is a very urgent problem. Nevertheless, Leipzig needs a clever municipal development strategy also in order to remain attractive and competitive in the long term.

The rents for commercial space for company founders and startups must remain affordable, so that companies are founded in Leipzig and not in Munich. Networks are needed, so that entrepreneurs get in touch with each other. Digital infrastructure must be expanded and thereby made fit for the future of work. Rents and living costs mustn’t continue to rise, so that also young skilled workers can afford life in Leipzig.

Social infrastructure, for example daycare centers, schools, libraries, cultural facilities and sports clubs, must be solidly financed. Newly created jobs must, above all, be well-paid. Those who work eight hours a day must be able to make a living from their wages – in every quarter of the city. Finally, also in the future, we need an active urban society in which everyone can get involved according to their own ideas, and shape our co-existence.

Fülle: Aufgabe der Stadtverwaltung ist es da, mit Mut und Zukunftsvision die Ansiedlung von Unternehmen zu fördern, die gute und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten. Neben größeren Behörden und Unternehmen sollen aber auch kleinere Unternehmen und Firmengründungen gute Rahmenbedingungen wie z.B. Verkehrs- und digitale Infrastruktur vorfinden, die mindestens zum Teil von der Stadt beeinflusst werden.

It’s the task of the City Administration to promote, with courage and a vision for the future, the settlement of companies that offer good and well-paid jobs. In addition to larger authorities and companies, also smaller companies and startups should find good framework conditions, such as transport and digital infrastructure, which are at least partly influenced by the City.

Meet the candidates: Dr. Claudia Fülle
Dr. Claudia Fülle (Grüne). Photo: Grünen-Fraktion Leipzig

Für viele junge Familien ist es schwierig, in Leipzig zu bleiben, weil es relativ wenige Kitas gibt und die Mietpreise jedes Jahr steigen. Wie sollten diese Probleme Ihrer Meinung nach gelöst werden?

For many young families, it’s difficult to stay in Leipzig because there are relatively few day-care centers, and rental prices rise every year. How do you think these problems should be solved?

Richter: Die Stadt Leipzig kann den Mangel an Kitaplätzen nur durch raschen Neubau von Kitas beseitigen. Außerdem muss die Stadt mehr Erzieherinnen und Erzieher ausbilden und im Anschluss fest anstellen. Vertikale Nutzungsmischung, das heißt mehrere Funktionen innerhalb eines einzigen Gebäudes miteinander zu kombinieren, kann die Baupreise für Kitas und andere kommunale Einrichtungen und den Flächenverbrauch senken. So können sich zum Beispiel ein Supermarkt im Erdgeschoss, eine Kita im ersten Obergeschoss und darüber Wohnungen in einem Gebäude befinden.

Als Vorbild für einen menschenfreundlichen Wohnungsmarkt betrachte ich Wien. Dort wohnt mehr als die Hälfte der Einwohner in einer Wohnung, die durch Instrumente des sozialen Wohnungsbaus gefördert wurde. Die Mietpreise liegen dementsprechend niedrig und steigen auch nur langsam. Leipzig braucht also – in enger Kooperation mit dem Freistaat Sachsen und dem Bund – ein groß angelegtes Programm zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Wir müssen viel Geld für Neubau und Sanierung kommunaler Wohnungen ausgeben und den Verkauf städtischer Wohnungen an private Investoren verhindern. Außerdem kann die Stadt Leipzig durch Vorkaufsrechte und Konzeptvergaben soziale Wohnungsprojekte wie das Pöge-Haus im Leipziger Osten unterstützen.

The City of Leipzig can eliminate the shortage of daycare places only by quickly building new daycare centers. In addition, the City must train more educators and then employ them on a permanent basis. A vertical mix of uses, that is, combining several functions within a single building, can reduce construction costs for daycare centers and other municipal facilities, as well as reduce land consumption. For example, a supermarket can be located on the ground floor, a daycare center on the first floor and apartments above it – in one building.

I see Vienna as a model for a people-friendly housing market. There, more than half of the inhabitants live in an apartment that has been supported through social housing instruments. The rents are correspondingly low and rise only slowly as well. So Leipzig needs – in close cooperation with the Free State of Saxony and the Federal Government – a large-scale program to promote social housing construction. We need to spend a lot of money on the construction and renovation of municipal apartments, and prevent their sale to private investors. In addition, the City of Leipzig can support social housing projects such as Pöge-Haus in Leipzig’s East through pre-emptive rights and conceptual award policies.

Fülle: Eine große Rolle spielen hier die Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften, gerade auch in meinem Wahlkreis, in Grünau. Diese sorgen für bezahlbaren Wohnraum. Auch in den neuen Stadtquartieren, z.B. am Eutritzscher Freiladebahnhof, ist ein Mindestanteil mietpreisgebundener Wohnungen festgeschrieben. Die vorhandenen Instrumente sollten in Zukunft noch konsequenter eingesetzt werden.

Housing construction companies and housing cooperatives play an important role here, especially in my electoral district, in Grünau. They provide affordable housing. Also in new quarters, for example at Eutritzsch’s Freiladebahnhof, a minimum share of rent-controlled flats has been fixed. In the future, the available instruments should be used even more consistently.

Pöge Haus. (Photo: Esther Hoyer)
Pöge Haus. (Photo: Esther Hoyer)

Nach den Ereignissen in Chemnitz letztes Jahr ist der Ruf Sachsens vor allem in Bezug auf seine Weltoffenheit für viele Leipziger, Deutsche und Menschen in anderen Ländern schlechter geworden. Was werden Sie tun, um Sachsens Ruf in dieser Hinsicht zu verbessern?

After the events in Chemnitz last year, Saxony’s reputation has deteriorated for many Leipzigers, Germans and people in other countries, regarding especially its openness to the world. What will you do to improve Saxony’s reputation in this respect?

Richter: Ich bin der festen Überzeugung, dass die demokratische Mehrheitsgesellschaft auch in Sachsen rechtsextreme Pogrome wie im Sommer 2018 in Chemnitz aufs Schärfste verurteilt. Leider hat sich diese Mehrheit zu einer schweigenden entwickelt und tritt rechtsextremer Propaganda nicht entschieden genug entgegen. Eine aktive Bürgergesellschaft mit engagierten Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ist die beste Medizin gegen die Vereinfacher, Polemisierer, Schwarz-Weiß-Maler, Rassisten und Hassprediger vom rechten Rand.

Auf die von rechts provozierte Spaltung der Gesellschaft können wir nur mit Solidarität, Geschlossenheit und Menschlichkeit reagieren. Wo auch immer Rechtsextreme in die Öffentlichkeit drängen, muss man sich ihnen entgegenstellen, ihnen widersprechen und ihre Ideen und Ziele als menschenfeindlich und autoritär benennen. Ich solidarisiere mich mit allen Sächsinnen und Sachsen, egal ob hier geboren oder hängengeblieben, die sich aktiv gegen rechte Hetze engagieren. Dabei ist es egal, ob wir das im Internet, auf der Straße, im Parlament, am Arbeitsplatz, im Verein oder in der Familie tun. Nazipropaganda darf auch in Sachsen nicht unwidersprochen stehenbleiben. Das kann ich natürlich nicht alleine, ohne eine sichtbare Mehrheit, erreichen.

I’ve the firm conviction that the democratic society of the majority, also in Saxony, strongly condemns right-wing extremist pogroms such as those in Chemnitz in the summer of 2018. Unfortunately, this majority has turned into a silent one and doesn’t oppose right-wing extremist propaganda decisively enough. An active civil society with committed people from the society’s center is the best medicine against the simplifiers, polemicists, black-and-white painters, racists, and hate preachers from the right margin.

To the division of the society provoked by the right, we can only react with solidarity, unity, and humanity. Wherever right-wing extremists push their way into the public, we must oppose them, contradict them and name their ideas and goals as inhuman and authoritarian. I show solidarity with all Saxons, whether born here or settled here, who are actively engaged against right-wing agitation. It doesn’t matter whether we do this on the Internet, on the street, in parliament, at work, in associations, or in the family. Also in Saxony, Nazi propaganda mustn’t remain unchallenged. Of course, I can’t achieve this by myself, without a visible majority.

Fülle: Jeder und jede kann seinen und ihren Beitrag leisten und den „besorgten“ Bürgern freundlich, aber bestimmt klarmachen, dass Missstände alle mögliche Ursachen haben, aber dass diese am wenigsten bei den MigrantInnen liegen, die zu uns kommen. Ich bin stolz darauf, dass in Leipzig zu jeder unsäglichen Legida-Demo eine mindestens genauso große No-Legida-Demo organisiert wurde, und ich war selbst oft dabei. Auch in Zukunft werde ich als Teil der Leipziger Zivilgesellschaft daran mitwirken, dass dumpfe Parolen und Fremdenhass keinen Platz finden bei uns.

Everyone can make his or her contribution and make it clear to the “concerned” citizens in a friendly but determined manner that problems have all kinds of causes, but that that the least of them come from the migrants coming to us. I’m proud of the fact that every excruciating Legida demonstration in Leipzig was accompanied by a No-Legida demonstration of at least the same size, and I was often there myself. Also in the future, I will, as part of Leipzig’s civil society, continue to play my part in ensuring that dull slogans and xenophobia find no place here.

Their #WirSindMehr placard reads: "No place for Nazis." Chemnitz, 3 Sept 2018. (Photo: Patrick Bauer)
Their #WirSindMehr placard reads: “No place for Nazis.” Chemnitz, 3 Sept 2018. (Photo: Patrick Bauer)

Viele Arbeitgeber in Leipzig hatten in den letzten Jahren Schwierigkeiten, qualifizierte Nicht-EU-Arbeitskräfte in Bereichen mit Arbeitskräftemangel zu beschäftigen, weil die Ausländerbehörde entweder Anträge zu langsam bearbeitet oder viel strenger ist als in anderen deutschen Städten. Was sollte die Politik hier Ihrer Meinung nach tun?

In recent years, many employers in Leipzig have had difficulties employing qualified non-EU workers in areas with labor shortages because the Foreigners’ Authority either processes applications too slowly or is much stricter than in other German cities. What do you think politicians should do about this?

Richter: Selbstverständlich. Ich betrachte Verwaltungen und Behörden als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger. Jeder und jede hat das Recht auf schnelle und effiziente behördliche Vorgänge. Berufliche und damit einhergehende finanzielle Unsicherheit aufgrund von langsam arbeitenden Behörden ist nicht hinnehmbar. Außerdem lebt Leipzig von seiner Weltoffenheit: Wer hier leben und arbeiten möchte, sollte dabei keine Steine in den Weg gelegt bekommen.

Naturally. I regard administrations and authorities as service-providers for citizens. Everyone has the right to fast and efficient official procedures. Professional insecurity and associated financial insecurity due to slowly working authorities are unacceptable. Moreover, Leipzig depends on its cosmopolitanism: Anyone who wants to live and work here should not be prevented from doing so.

Fülle: Diese Frage verstehe ich nicht.

I don’t understand this question.

Klimawandel trifft jeden Ort. Können Sie kurz erläutern, was Ihre Meinung zur aktuellen regionalen Klimapolitik ist?

Climate change affects every place. Can you briefly explain what your opinion is on current regional climate policy?

Richter: Klimapolitik teilt sich mittlerweile in zwei Bereiche: Anpassung an die Folgen der globalen Erwärmung und radikale Senkung des Treibhausgasausstoßes.

Beispielhaft sieht man am Sommer 2018, wie erschreckend schlecht Leipzig auf die Folgen des Klimawandels eingestellt ist. Die Stadt heizt sich auf, Pflanzen vertrocknen und die Gesundheitsbelastung durch Luftschadstoffe steigt. Bündnis 90/Die Grünen haben schon im Jahr 2016 Maßnahmen für eine grüne Stadtentwicklung benannt, die auch die unmittelbaren Folgen des Klimawandels abfedern können. Wir setzen uns unter anderem für den Erhalt von Freiflächen und Kaltluftschneisen, die Förderung ökologischer Mobilität, den Schutz des Auwalds, bepflanzte Innenhöfe und Dächer sowie die Erarbeitung einer Anpassungsstrategie durch die Stadt ein.

Außerdem muss auch Leipzig als Kommune alle möglichen Anstrengungen unternehmen, um den CO2-Ausstoß der Stadt zu senken. Deshalb setze ich mich für den Rückzug aus klimaschädlichen Investitionen (das sog. Divestment) ein. Leipzig wird, auch auf Druck der Grünen, den Fernwärmeliefervertrag mit dem Kraftwerk in Lippendorf nicht verlängern. Die Stadt wird somit ab 2023 unabhängiger von Fernwärme, die aus fossiler Braunkohle und unter extrem hoher Umweltbelastung erzeugt wird.

Überdies hat die Stadtverwaltung mit ihrem Katalog an Mobilitätsszenarien für das Jahr 2030 den Grundstein für die Verkehrswende in Leipzig gelegt. Jetzt gilt es, das im Stadtrat beschlossene Nachhaltigkeitsszenario zügig umzusetzen. Der Verkehr der Zukunft kommt ohne eigenes Auto aus, ohne Verbrennungsmotor, günstig und jederzeit für jedermann und jedefrau. Egal ob mit Bus und Bahn, Fahrrad oder Elektroroller, geteiltem Leihauto oder zu Fuß: Nur mit einem klimaneutralen Verkehr lässt sich die globale Erwärmung aufhalten.

Climate policy now consists of two areas: adaptation to the consequences of global warming, and radical reduction of greenhouse gas emissions.

In the summer of 2018, for example, one could see how shockingly badly Leipzig is prepared for the consequences of climate change. The city heats up, plants dry up, and the health burden from air pollutants increases. Already in 2016, the Greens had named measures for green urban development that can also cushion the immediate consequences of climate change. Among other things, we advocate for the preservation of open spaces and cold air-corridors, the promotion of ecological mobility, the protection of the Auwald Forest, green inner courtyards and roofs as well as the development of an adaptation strategy by the City.

Moreover, also as a municipality, Leipzig must make every possible effort to reduce the city’s CO2 emissions. That’s why I advocate for a withdrawal from climate-damaging investments (the so-called divestment). Also thanks to pressure from the Greens, Leipzig won’t extend the long-distance heat supply contract with the power plant in Lippendorf. From 2023 onwards, the city will thus become more independent from long-distance heat that is produced from fossil brown coal and at an extremely high cost for the environment.

Furthermore, with its catalogue of Mobility Scenarios for the year 2030, the City Administration has laid the cornerstone for transport transformation in Leipzig. The task now is to quickly implement the Sustainability Scenario adopted by the City Council. The transport of the future can manage without personal cars, without combustion engines, cheaply and at any time for everyone. Whether by bus and train, bike or electric scooter, shared rented car or on foot: global warming can only be stopped with climate-neutral transport.

Fülle: Regionale Klimapolitik ist z.B., dass der Stadtrat entschieden hat, zeitnah die Fernwärmeversorgung durch das Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf zu beenden. Zur regionalen Klimapolitik gehört selbstverständlich neben einem attraktiven und bezahlbaren ÖPNV auch die Stärkung des Radverkehrs und des Fußverkehrs durch gute und sichere Wege. Lokale Klimapolitik ist aber auch eine kluge Stadtraumplanung, in der Grünanlagen und Parks dazu beitragen, dass die sommerliche Überhitzung nicht zu stark wird.

Regional climate policy is, for example, that the City Council has decided to terminate the long-distance heat supply from the Lippendorf brown-coal power plant in the near future. In addition to attractive and affordable public transport, regional climate policy naturally also includes strengthening cycling and pedestrian traffic through good and safe paths. But local climate policy is also a clever form of urban planning, in which green spaces and parks help ensure that overheating in the summer doesn’t become too strong.

Sun over Clara-Zetkin-Park. (Photo by Chrissy Orlowski)
Sun over Clara-Zetkin-Park. (Photo by Chrissy Orlowski)

Wie sehen Sie Leipzig und Sachsen im Jahr 2040?

How do you see Leipzig in the year 2040?

Richter: Weltoffen, ökologisch, demokratisch, engagiert, lebenswert und menschenfreundlich.

Cosmopolitan, ecological, democratic, committed, worth living in, and humanitarian.

Fülle: Um Leipzig mache ich mir weniger Sorgen als um Sachsen insgesamt. Leipzig ist auch 2040 hoffentlich eine lebendige und lebenswerte Stadt, in der alle ihren Platz finden und mutig ihren Weg gehen.

I’m less worried about Leipzig than about Saxony as a whole. Even in 2040, Leipzig hopefully is a lively city worth living in, where everyone finds their place and courageously goes their way.

A political scientist who follows global events with pious devotion. A Venezuelan by virtue of being born in that interesting tropical place, but who has lived and studied in several places around the world. He will write some analysis on important global issues, especially if they have an impact on Germany or Leipzig.

Leipzig city center. (Photo: maeshelle west-davies)
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